Wir sind nun auf der Zielgeraden für die kommenden Aktionsgruppen, denn morgen beginnt der Workshop für Teamer:innen, von denen einige eben diese Gruppen leiten werden. Ist der Workshop deshalb nur für die Jugendlichen, die Teamer:innen für unsere Aktionsgruppen sein wollen? Nein! Es reicht aus, wenn Du Lust hast ein ganzes Wochenende einfach in die Welt der Demokratie einzutauchen. Wenn Du Interesse daran hast herauszufinden, was Demokratie mit DIR zu tun hat, obwohl Du noch nicht wählen darfst und gefühlt kaum Mitspracherecht in vielen Deiner Belange hast.
Dieser Workshop ist für alle Jugendlichen, die mal ganz anders als in der Schule etwas lernen und sich aktiv in den Lernprozess einbringen wollen. Jugendliche, die Bock haben andere Leute kennenzulernen....die nicht zuhause rumhängen wollen....Jede(r) ist willkommen - neugierig solltet Ihr allerdings sein, das könnte helfen.
Ich habe in den letzen Monaten echt an diesem Projekt gezweifelt, irgendwie finden es alle gut und wichtig, aber gleichzeitig scheinen Jugendlichen kaum Zeit und Lust zu haben, sich mit dem Thema Demokratie auseinanderzusetzen. Erst dachte ich, dass ich einfach nicht vermitteln kann wie genial dieses Projekt ist, wieviel Spaß es machen kann und was für großartige Möglichkeiten es für jeden Einzelnen von Euch bietet. Ich meine - Hey, die Teamer:innen bekommen 300€ Aufwandsentschädigung dafür, dass sie eine Workshop mitmachen und dann vielleicht eine Aktionsgruppe für 3 Monate leiten. Die Aktionsgruppe bekommt als finanzielle Hilfe zur Umsetzung ihrer Projektidee 600€. Das ist doch was, damit kann und will man doch was machen, oder? Die Erwachsenen haben mir gesagt, dass das Projekt zu „frei“ sei. "Jugendliche brauchen eine Rahmen, eine Zielvorgabe, denen mußt Du sagen und zwar ganz klar, was sie machen sollen“ Ich höre das und fragte mich, ob dem tatsächlich so ist? Wie war das bei mir damals? Ganz einfach - es gab in den 80igern auf´m Dorf keine „Projekte“! Wir haben uns auf dem Spielplatz getroffen und Blödsinn gemacht. Oder uns bei Freunden, dessen Eltern nicht im Haus waren, verabredet.....damit wir machen konnten was wir wollten - ohne Rahmen und ohne Zielvorgaben. Ich habe lange darüber nachgedacht, was sich wohl verändert hat? Irgendwie verstehe ich ja, dass mir Jugendliche nicht die Tür einrennen. Wer bis 16 Uhr in der Schule hockt und noch Hausaufgaben machen muss, eventuell ein Hobby hat oder sich gerne mit seinen Freunden trifft und Tik Tok Videos und YouTube Shorts anschauen kann...ist „ausgefüllt“ und zwar richtig. Get it! Been there! Aber da bleibt trotzdem ein Stachel.......WER VERDAMMT SOLL DENN UNSERE WELT MAL BESSER MACHEN? Mal ehrlich, wir Erwachsenen haben, was das angeht, nur einen mittelmäßigen Job gemacht, da ist noch viel Luft nach oben. Korrigiere, nicht alle Erwachsenen, ein paar waren auf Zack, haben sich engagiert, die „Grünen“ zum Beispiel gegründet, haben Demos organisiert, gegen Faschismus, Alt Nazis und für die Freiheiten gekämpft, mit denen wir gerade so selbstverständlich leben. Das ich arbeiten gehen kann, ohne das (sofern ich einen hätte) mein Ehemann dem zustimmen muss....das habe ich den Frauen zu verdanken, die irgendwann etwas in Bewegung gesetzt haben, was andere damals abfällig und wir heute stolz „FEMINISMUS" nennen. Sie haben das getan, weil Gleichheit und Freiheit läääängst nicht für alle galt....auch und besonders für Jugendliche. Das ihr heute eure Lehrer:innen verklagen könnt, wenn sie Euch schlagen....das ist ein Resultat von demokratischem Handeln....irgendwann hat ein junger Mensch gesagt: „JETZT REICHTS“, hat sich Verbündete gesucht, gegen Widerstände standgehalten, die eigene Haltung immer wieder deutlich vertreten und schließlich eine Mehrheit und geltendes Recht geschaffen, dass Kinder nun in unserem Bildungssystem vor Misshandlungen schützt. It´s as simple as that? Nein, denn die eigene Meinung vor anderen zu vertreten, überhaupt zu erkennen, dass diese auch zählt, Verbündete zu finden, Mehrheiten zu schaffen und die eigene Haltung gewaltfrei vor anderen zu verteidigen......all das wird einem zwar in die Wiege gelegt, als Menschen an sich, aber es braucht Raum und Möglichkeiten, um das auch in die Welt hinauszutragen, aus dem eigenen Inneren. Außerdem, und ich glaube Jugendliche kennen sich damit besonders gut aus, wird man mit seinen Anliegen und Bedürfnissen nicht immer ernst genommen, da braucht man eine langen Atem....dazu muss man befähigt werden. Und hier schließt sich der Kreis zu meinem Projekt.
Es geht mir mit der Jugend Demokratie Agentur um Ermöglichung und Befähigung. Junge Menschen können hier erfahren, dass sie ernstgenommen werden, ich ihnen zutraue, etwas auf die Beine stellen zu können, ohne das ich ihnen sage, was das denn nun genau sein soll. Ich glaube fest daran, dass Jugendliche ihre Anliegen, Bedürfnisse, Ängste, ihren Ärger wie auch ihre Talente ganz von alleine sichtbar machen können. Sie brauchen nur einen sicheren Raum, Zeit und vielleicht etwas Unterstützung....aber sie brauchen ganz bestimmt keinen Plan und keine Zielvorgabe. Und wenn Jugendliche mir jetzt nicht die Tür einrennen, dann liegt das, so glaub ich, weniger am fehlenden „Rahmen“ aber um so mehr daran, dass sie noch nicht wissen, wie sehr ihre individuellen Geschichten, in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit, unsere Gesellschaft und was sie ausmacht, prägen. Sie ahnen, so denke ich, dass unsere gesellschaftliche Verfasstheit, jede einzelne Ihrer Geschichten mitschreibt und deshalb sind wir als Gesellschaft bzw. als Co-Autoren, dafür mitverantwortlich, ob diese Geschichten gut oder schlecht, ein Traum oder ein Albtraum, voll von Angst oder Mut sind. Ich versuche Jugendlichen „Verwirklichungsbedingungen“ bereitzustellen....Raum, Zeit und unterstützendes Wissen, um sie zu befähigen für mehr Gerechtigkeit und gegen Diskrimierung einzustehen, für sich selbst und andere....für ein gutes Leben.....und das....so sagt Martha Nussbaum*....schließt nicht den Zwang ein, das sie mein Angebot nutzen müssen. ABER es entbindet uns Erwachsenen nicht davon diese Angebote zu schaffen, sie weiter zu erzählen oder sie Jugendlichen zu vermitteln. Deshalb, SPREAD THE WORD für die Jugend Demokratie Agentur...denn das Beste kommt erst noch!
*Martha Nussbaum ist eine überirdische Philosophin (wie ich finde), ihr Capability Approach liegt in Teilen auch diesem Projekt zugrunde. Ganz kurz und simpel: Es geht darum den Fähigkeiten - Capabilities - die in jedem Menschen angelegt sind - oder nennen wir es Potentiale - Angebote zur Entfaltung dessen zu geben. Basic Capabilities sind die Grundlage für internal Capabilities. Diese wiederum sind erst dann Capabilities, im Sinne von Freiheiten, wenn sie mit den politischen, gesellschaftlichen und/oder wirtschaftlichen Bedingungen gepaart werden, die sie benötigen um auslebbar bzw. erlebbar zu werden und zu einem menschlichen Leben in Würde beitragen.
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